Dinner at Fäviken heißt: 27 Gänge. 27 kleinere und größere Happen, mit unglaublicher Präzision, Liebe zum Detail und zu Schweden zubereitet. 27 mal pures Glück. Begleitet von Champagner, selbst gebrautem Met, Orange Wine, Apfelmost – und deutschem Riesling vom großartigen biodynamischen Winzer Peter Jakob Kühn. Seid ihr bereit? Los geht´s.
Wir starten mit eingelegten Rüben und hausgemachter Wurst aus der Undersakers Chacuteriefabrik. Sie gehört – wie könnte es anders sein – auch zur Fäviken-Familie.
Es folgen:
Hauchdünne, mit Essig besprenkele Leinsamenchips mit einem Dip aus blauen Muscheln.
Ein unglaublich knuspriger Vollkornweizencracker mit Karottensalat und einer eingelegten Karottenscheibe. Nie war Karotte karottiger! Und dieses Texturenspiel!
Sehr frischer Quark, Krähenbeeren und dazu eine Brühe aus getrocknetem und geräuchertem Rentier sowie verrottendem Laub.
Rogen von der wilden Forelle in einem knusprigen Körbchen aus getrocknetem Schweineblut.
Geflügelleber-Creme mit gemalztem Kohl, Vogelbeeren, Petersilienstängeln und fermentiertem Knoblauch. Lieblingsgang.
Schweinekopf im Sauerteig, frittiert und mit eingelegter Stachelbeere und etwas Estragon Salz serviert.
Hauchdünne Scheiben von der geräucherten, 12 Monate gealterten Schweinebacke.
Nach diesem fulminanten Prolog geht es nun etwas langsamer weiter. Und zwar mit dem vielleicht berühmtesten von Magnus Nilssons Signature Dishes: Jakobsmuschel, gegart über brennenden Wacholder Zweigen.
Die Jakobsmuscheln kommen aus dem 300km entfernten Hitra in Norwegen, sind handgetaucht – und der Grund, warum ich nie wieder Jakobsmuscheln werde essen können. Wer diese saftige, süße, nach Meer schmeckende Muschel erst einmal gekostet hat, ist leider für den Rest seines Lebens verdorben für die handelsübliche, aufgetaute Ware, die man zumeist bei uns in Deutschland bekommt.
Im Fäviken werden sie zusammen mit ihrem Sud in ihrer Schale, auf einem Bett aus Wacholder serviert – und mit der Hand gegessen. In ihrer Einfachheit und gleichzeitigen Perfektion sind sie für mich das Sinnbild der Küche Magnus Nilssons.
Der nächste Gang ist ohne Frage gut, aber wenig spektakulär: Gedämpfter Kabeljau mit Fichtensprossen und fermentierten Topinambur-Würfeln.
Dann wieder: BÄM. King Crab with almost burnt cream. Ohne Worte. Aromatisch, nussig, süß – das Fleisch der Königskrabbe harmoniert perfekt mit der karamellig-süßen, eingekochten Sahne. Diesen Gang werd ich noch sehr, sehr lange auf der Zunge haben.
Weiter geht es mit vier schnellen Kleinigkeiten: Sauerteig-Pfannkuchen, Seetang, Beef Butter.
Gratinierter Lupinen-Quark, der ähnlich wie Sojabohnen-Quark, also Tofu hergestellt wird.
Rohe, dünn aufgeschnittene Mahagoni Muschel mit Bier Essig.
Eine kleine Reminiszenz an Island: Small egg coated in ash. Wer meine Island-Reiseberichte aufmerksam gelesen hat, der weiß: Auf Island gibt´s keine Bäume, die man zu Asche verbrennen könnte. Deshalb ist die Asche, die das wachsweiche Wachtelei umgibt, aus Schafsdung. Dazu gibt es eine Creme aus getrockneter Forelle und eingelegter Ringelblume.
Das nächste Gericht ist quasi die Überleitung zum Hauptgang: Kai-lan (chinesischer Brokkoli) mit “very good cream” und – da isser wieder! – Kaviar vom finnischen Stör. Überhaupt bin ich überrascht, wie groß der Anteil von Milchprodukten im Fäviken ist. Toll ist das! Selten aß ich bessere Butter, bessere Sahne und bessere Milch.
Als Hauptgang dann: ein rosa gebratenes, trocken gereiftes Stück Schweinekotelett, dazu eine unglaublich aromatische Paste aus fein geriebener, gerösteter Lupine.
Colostrum mit Mädesüß läutet die süßen Gänge ein. Colostrum, auch Vormilch genannt, ist bei Säugetieren die erste Milch, die von der Milchdrüse produziert wird.
Eine hauchdünne Scheibe roher Topinambur mit dunkel gerösteten Cerealien. Malzig, kräftig, wow.
Der nächste Gang fällt eher in die Kategorie “muss man sich drauf einlassen”: Jeder bekommt direkt aus der Eismaschine von 1920 einen Holzlöffel voll mit Silage Eis. Schmeckt, als hätte man in einen unausgemisteten Kuhstall gebissen. Die Geschmacksnerven sind anschließend auf jeden Fall wieder wach.
Dann wird´s wieder sensationell: “Potato Dream” ist eine Art Macaron – sowohl Teig, als auch Füllung bestehen ausschließlich aus Kartoffeln. Knaller.
Eigelb kann man nicht nur trocken in Salz und Zucker, sondern auch in Zuckersirup beizen. Das derart konservierte Eigelb kommt auf einem Bett aus Pinienrinde-Streuseln daher. Man vermischt es mit der Gabel zu einer Art rohem Kuchenteig und isst ein Eis mit Fichtensprossen dazu. Tolle Idee.
Das folgende Himbeereis ist wie ein Bonbon eingepackt.
Kurz vor dem Ende dann nochmal ein absolutes Highlight: Bone Marrow Pudding, der erst von gefrorener Milch getoppt und dann flambiert wird.
Womit genau – das liegt leider im Dunst der fabelhaften alkoholischen Getränke-Begleitung, die in allen Punkten überzeugte: von exzellentem Champagner über homemade Met, einen als Orange Wine ausgebauten Pouilly Fume, den fabelhaften St Nikolai Riesling GG von Peter-Jakob Kühn bis zum wunderbaren Barolo, hausgemachtem Apfelmost und hausgemachtem Eierlikör. Magnus Nilsson startete 2008 übrigens als Sommelier im Fäviken…
Aber zurück zum Essen. Den Abschluss bilden eine Candybox mit Lakritz Pastillen, geräuchertem Karamell, getrockneten Vogel- und Blaubeeren, eine salzig-süße Pie mit Rentier Spänen und eine Box mit sugar-coated Samen und Gewürzen wie Koriander, Fenchel und Kardamom.
Beseelt und beschwippst lassen wir uns noch zu einer Kugel Snus hinreißen. Snus, das ist der traditionelle Tabak der Skandinavier, der zu einem Kegel geformt und zwischen Lippe und Zahnfleisch geklemmt wird. Ein einigermaßen kurioses Vergnügen.
Wer mag, nimmt nun noch einen Drink im gemütlichen Tipi vor der Tür, in dem ein Feuer die Kälte vertreibt. Mein einziger kleiner Wermutstropfen dieses so unglaublich intensiven Abends: Ich hätte gern noch mehr Magnus Nilsson gespürt. Also – abseits vom Essen, natürlich. Nach der Begrüßung haben wir ihn nicht mehr gesehen, an diesem Abend hat er keinen der Gänge selbst serviert. Wir unterhalten uns noch lang mit Marie, die sich so fabelhaft um unseren Tisch gekümmert hat und verabschieden uns schließlich mit einer ehrlichen Umarmung. Oben im ersten Stock sind die Tische bereits fürs Frühstück eingedeckt.
Während die Glücklichen, die eines der wenigen Zimmer direkt vor Ort ergattern konnten, so langsam in ihre Betten verschwinden, wartet auf uns noch eine 30-minütige Taxifahrt zu unserem B&B. Ein bisschen wehmütig, aber sehr, sehr glücklich nehmen wir Abschied von Fäviken. Von diesem ganz und gar einzigartigen Erlebnis, das so viel mehr ist als ein Restaurant irgendwo im Nirgendwo.
Conny
17 Kommentare
Danke für diesen tollen Bericht , Du Glückspilz! Nur noch eine Frage:was hat das Menü gekostet?
Dank dir! Für das Menü muss man ca. 300 Euro rechnen.
Toll, toll, toll!
Ich beneide dich um diese Reise.
Danke, dass du uns daran teilhaben lässt ?
Manchmal kann ich´s selbst noch kaum glauben, dass ich wirklich da war. :-*
Danke für diesen tollen Bericht – wunderbar !!
Sehr, sehr gern!
TOLL! Danke!
Sehr interessant und schön dass es dir/euch so gut gefallen hat. Alleine die Location ist natürlich Hammer. Aber mehr als ~7 Gänge sind mir too much. Da kann ich mich am Ende vom Menü schon nicht mehr an den ersten Gang erinnern.
Wie machst du das? Schreibst du dir mit, was es gibt? Oder habt ihr eine Menü-Karte zum mitnehmen bekommen?
Liebe Grüße,
Fabian
Die Gänge sind ja wirklich sehr klein – die ganzen Amuse sind nicht mehr als jeweils ein Happen. Aber du hast schon recht, am Ende kommt dann doch ganz schön viel zusammen, ich war dann auch wirklich pappsatt. Die Menükarte gibt´s am Ende des Abends zum Mitnehmen, so kenn ich das auch aus dem Geranium oder dem Noma.
Auch liebe Grüße!
Conny! Das Essen und so – klar.
Aber Deine Bilder! Ich bin mal wieder schockverliebt!
Aber das sind doch nur Häääändybilder. Und ein, zwei vom Mann.
Vielen, vielen Dank! Manches schmeckte mir schon fast auf der Zunge durch deinen tollen Bericht! Wenn ich groß bin…
Ich dank dir sehr!
interessante Gangabfolge, aber: kann man machen, muss man aber nicht. Oder warum sollte man Kolostralmilch zu sich nehmen?
“Müssen” tut man ja kulinarisch gesehen zum Glück relativ wenig – es geht also mehr um die Lust am Genuss, kulinarische Neugier und die Bereitschaft, sich abseits der gewohnten kulinarischen Pfade zu bewegen. Die einen finden das spannend – den anderen ist´s suspekt. Kolostrum gilt übrigens als sehr gesund – und wird in vielen skandinavischen Ländern traditionell verwendet.
hallo und danke für den Bericht. hatte bereits einen Artikel im Stern über das Restaurant gelesen. habe versucht Informationen zur Mahagoni-Muschel zu finden, leider völlig erfolglos. Kannst Du weiterhelfen?
mfg
Jörg
Lieber Jörg,
Mahagoni-Muschel oder Mahogany Clam ist einer der Populärnamen der Arctica Islandica, auch Islandmuschel genannt. Wiki sagt dazu folgendes: https://en.wikipedia.org/wiki/Arctica_islandica
Hilft dir das weiter?
Liebe Grüße
Conny