Groß sind sie, die Schuhe, in die man im Fontenay zu schlüpfen gedenkt. Sehr groß. Nichts weniger als Hamburgs bestes Hotel – mehr noch, das beste Hotel Deutschlands, wenn nicht gar Europas! – will Hamburgs neuestes 5-Sterne-Superior Hotel laut Hausherr, Logistikunternehmer und HSV-Investor Klaus-Michael Kühne sein. Das ist mal eine Ansage in einer Stadt, die mit dem generalüberholten Atlantik und dem Fairmont Hotel 4 Jahreszeiten durchaus schon ein paar legendäre Adressen im Luxus-Segment zu bieten hat. Und so waren unser Erwartungen dann auch ziemlich hoch, als wir uns am Ostersonntag auf die lange kurze Reise von der Elbe an die Alster machten, um eine Nacht im Fontenay zu verbringen. Nicht auf Einladung des Hauses, sondern auf Einladung meiner Schwiegermama, die dem Gatten letztes Jahr eine Übernachtung im Fontenay zum Geburtstag schenkte. Hamburger schlafen da nämlich zum Sonderpreis von 260 Euro pro Nacht, eine schöne Geste. Die Preise für die Standardzimmer liegen sonst nämlich bei ambitionierten 355 Euro pro Nacht. Ohne Frühstück. Dafür mit Alsterblick. Und der ist eigentlich eh unbezahlbar.
Nach monatelangen Bauverzögerungen, die einem Wasserschaden geschuldet waren, feierte The Fontenay dann Mitte März Eröffnung – und wir waren einigermaßen erstaunt, dass wir über Ostern ganz kurzfristig überhaupt noch ein Zimmer bekamen. Die Zimmer-Auslastung lag über die Feiertage allerdings bei nicht einmal einem Drittel, wahrscheinlich hatten Osterurlauber einfach längerfristig gebucht.
Schön weiß und schön rund ist es von außen, das Gebäude der Hamburger Architekten Strömer, Murphy und Partners. Ich mag die Architektur, sie passt zu Hamburg, ohne im hanseatischen Klischee stecken zu bleiben.
Innen dann keine klassische Rezeption, sondern ein Empfangsbereich, der an den First Class Check In von Airlines erinnert. Man nimmt in weißen Ledersesseln Platz, Begrüßung und Check In sind persönlich, wenn auch etwas steif. Aber wir sind ja in Hamburg, da mag man´s ja gerne ein bisschen steifer. Und das klassische Grandhotel Klientel wird´s sicher lieben.
Zimmerbegehung
Unser Zimmer dann: Schön. Sehr schön. Kosmopolitisch, geschmackvoll, elegant. Schon in der Standard-Kategorie groß. Und großzügig. Das ist ein Luxus, den man in vielen anderen Hotels erst ab der Suiten-Kategorie hat. Das Design, die Farben… alles wunderbar. Überall ist modernste Technik verbaut, die Vorhänge fahren auf Knopfdruck auf und zu, die Klobrille ist beheizbar, die Rainshower riesig (und leuchtet in den schönsten Einhornfarben), der Fön von GHD (Yay! Endlich mal ein hochwertiger Hotelzimmerfön) und die Duschtemperatur wird per Touchpad eingestellt. Beeindruckend. Mein innerer Monk stellt belustigt fest, dass das Bett nicht mittig vor dem Betthaupt steht, egal.
Bin ich begeistert? Ach, ich weiß nicht so recht. Ja, das Zimmer ist schön. Wenn auch an manchen Stellen etwas…. kahl. Warum steht nicht wenigstens etwas Deko in diesem Regal? Eine Schale Obst? Frische Blumen?
Es fehlt in meinen Augen das Besondere. Das Überraschende. Die letzte Liebe zum Detail. Das, was es von anderen 5 Sterne Häusern unterscheidet. Das ist im Mandarin Oriental in Bangkok zum Beispiel der unfassbar gute Service mit dem eigenen Stockwerks-Concierge, der dich ab Sekunde 1 mit Namen anspricht. Das ist anderswo ein Barwagen mit tollen Spirits und Ice Bucket und Kristallgläsern. Oder eine designated Spotify Playlist. Oderoderoder. Die (im Zimmerpreis inkludierte) Minibar im Fontenay dagegen: Enttäuschend. Außer Wasser, Softdrinks und Bier ist nämlich nichts drin. Kein Gin, kein Champagner, keine Snacks.
Afternoon Tea im Wohnzimmer des Fontenay
Der Guest Relation Service hingegen ist top, und so reserviert man uns gleich noch einen Platz für den Afternoon Tea in der 27 Meter hohen wunderschön gestaltete Atrium Bar mit dem beeindruckenden, sieben Meter langen Kronleuchter.
Der Service hier ist leiderleider noch nicht so top. Es laufen zwar viele Mitarbeiter geschäftig hin und her, es fehlt aber ein Maître, der die Gäste begrüßt und diejenigen, die einen Tisch möchten oder reserviert haben von denen unterscheidet die nur stehen und gucken wollen. Wahnsinnig nett aber etwas überfordert ist der Service dann auch am Tisch. Wir ordern eine Tea Time mit Sandwiches und eine mit Scones und zwei Gläser Kir Royal. Letztere werden erstmal vergessen. Und während den Gästen am Nebentisch gesagt wird, sie könnten alles einfach nachordern, wird uns das zweite Heißgetränk (sowie eine Flasche Wasser, die wir gar nicht hatten) berechnet. Achja. Eine volle Tea Time schlägt mit immerhin 53 Euro pro Nase zu buche.
Und die Qualität? Sandwiches und Scones sind top, da gibt es gar keine zweite Meinung. Die Marmeladen zu den Scones sind hausgemacht und richtig köstlich. Die Sandwiches vielfältig von klassischer Gurke bis zu Schwarzbrot mit Tête de Moine.
Wunderschön übrigens auch die Bibliothek neben dem Atrium, die von der Hamburger Traditionsbuchhandlung Felix Jud kuratiert wird.
Fabelhafte drinks with a view in der Fontenay Bar
Eigentlich wollen wir nun ins Spa – landen aber aus mir im Nachhinein völlig unerklärlichen Gründen in der Fontenay Bar im 6. Stock. Mittlerweile scheint die Sonne, der Blick über die Stadt ist spektakulär.
Schade, dass die Außenterrasse noch nicht für Gäste geöffnet ist, aber wir haben auch drinnen unseren Spaß. Und zwar mit den wirklich sensationellen Jungs an der Bar. Und einer Barkarte, die neben Klassikern auch Mut zum Außergewöhnlichen hat und es sich auf die Fahne geschrieben hat, dem Wermut zu neuem Glanz zu verhelfen. Und so trinken wir uns konsequent durch die Karte, aus rein wissenschaftlichen Gründen natürlich.
Nach Fine Dining im Lakeside (hier wird ambitioniert gekocht und die Preisgestaltung lässt vermuten, dass der Schweizer Chefkoch Cornelius Speinle nicht nur einen, sondern mindestens zwei Sterne im Auge hat…) steht uns nicht der Sinn, wir ordern Barfood: Club Sandwich und Burger, beides sehr gut gemacht. Beschwippst Beseelt lassen wir uns gegen Mitternacht ins hervorragende Bett fallen, nicht ohne uns vorher noch über die für mich sehr merkwürdige Policy des Hauses zu wundern, dass sich Angestellte auch untereinander zu siezen haben. Wenn sich zwei zwanzigjährige Barkeeper mit Sie und Nachnamen anreden müssen, dann ist das wahrscheinlich wieder typisch Hamburgisch. Ein bisschen steif halt. Aber vielleicht muss das ja so…
Spektakulär: das Spa
Der Wecker klingelt früh am nächsten Morgen, ich will ins Spa. Und hier erlebe ich dann endlich das, was mir in manch anderen Bereichen des Hotels gefehlt hat… das Besondere, diesen Wow-Effekt. Das Spa im 7. Stock bietet einen spektakulären Blick über die Stadt: Vom Pool mit Außenbereich aus, von den (beheizbaren!) Daybeds im Ruhebereich – und nicht zuletzt von der finnischen Sauna aus. Bis zum Michel, der Elbphilharmonie und den tanzenden Türmen an der Reeperbahn geht der Blick an einem sonnigen Tag wie diesem.
Ich möchte gar nicht mehr raus aus der Sauna und könnte locker einen ganzen Tag hier oben mit rausgucken und schwimmen und Tee trinken verbummeln.
Ach, das Frühstück…
So sehr hab ich mich auf ein langes Frühstück gefreut, es wird an Sonn- und Feiertagen dankenswerterweise bis 12 Uhr serviert. Auf pochierte Eier und Avocadotoast, einfach auf tolle Breakfast Dishes. Das Frühstück wird nämlich á la carte serviert, was eigentlich eine schöne Idee ist. Leiderleider entpuppt es sich dann als echter Downer, man muss es einfach so deutlich sagen. Es nämlich ein durch und durch langweiliges deutsches Standardfrühstück. Am Tisch serviert werden Brot, Brötchen und Croissants, dazu eine Etagere mit etwas Räucherfisch, einem Teelöffel voll Krabbensalat, vier winzigen Scheiben Plastik-Wurst (Paprika-Lyoner und Fleischwurst. Seriously?) und etwas Käse. Dazu ein kleines Obstsalätchen und etwas Müsli, Marmelade und Butter. Was Frisches wie Tomaten und Gurke muss man separat ordern (leider wurde auch diese Bestellung beim ersten Mal vergessen…). Es gibt ein kleines Buffet, das am Ostermontag mit Kuchen, Birchermüsli, Ananas, Melone, Roastbeef, Weichkäse, Nutella und Sekt (Reichsrat von Buhl, der ist gut) bestückt ist.
Noch nie habe ich in einem 5 Sterne Hotel eine dermaßen uninspirierte und langweilige Frühstückskarte gesehen. Eier in den üblichen Variationen, Pancakes und French Toast kann man ordern. Dabei ginge hier so viel mehr… Warum nicht eine Hamburgische Version der Eggs Benedict anbieten mit pochiertem Ei und Krabben und Dill-Hollandaise und geröstetem Schwarzbrot? Warum nicht einen hausgebeizten Fisch anbieten, zum Beispiel in Helbing und rote Bete gebeizt? Oder geräucherten Aal statt dem allgegenwärtigen Räucherlachs auf die Karte setzen? Warum nicht die Standard Pancakes mit Roter Grütze aufpeppen? Oder wenigstens kleine, hausgemachte Franzbrötchen servieren? Es wäre eigentlich ganz einfach… man müsste sich nur ein paar Gedanken machen!
Wir ordern Eggs Benedict. Die lange Wartezeit lässt vermuten, dass die erste Fuhre nix geworden ist. Was dann serviert wird, ist leider auch nix: Die Eier so kurz pochiert, dass das Eiweiß noch glibschig ist. Das Toastie nicht knusprig, der Schinken ausm Großmarkt, die Hollandaise hingegen ist okay. Fürs Auge sind die Eier leider auch kein Genuss: Sie sind lieblos in einer zu kleinen Schale angerichtet. Keine Deko, kein frisches Kraut, nix. Ich bin so verdattert, dass ich noch nicht mal ein Foto davon mache.
Der Service: Sehr, sehr bemüht, sehr freundlich und ein bisschen hilflos. An vielen Stellen wirkt alles noch sehr auswendig gelernt. Und so ist die ganze Atmosphäre beim Frühstück dann auch wieder… steif.
Gäste, die um 11:45 schon zum Lunch kommen wollen, werden weggeschickt bzw. auf die Atrium Bar verwiesen. Ehrlich gesagt würde ich mir von einem richtig guten Service dann eher erwarten, dass diese Gäste freundlich an einen Tisch geführt werden – und schon mal in die Karte gucken können. Auch wenn das Mittagsgeschäft erst um 12 startet.
Hamburgs neues bestes Haus am Platz? Ein Fazit.
Bin ich zu picky? Bin ich überkritisch? Hab ich Fehler gesucht? Es ist doch noch ein ganz neues Hotel, es muss sich doch alles noch einspielen, könnte man jetzt sagen. Fair enough! Nichts gegen eine Soft-Opening-Phase. Wenn die dann auch mit Soft-Opening-Preisen einhergeht. Wer geschlagene 35 Euro fürs Frühstück nimmt, der darf zu diesem Preis nicht nur Rührei und Pancakes servieren.
Und wer derart laut in den Medien trommelt, wer das beste Hotel Deutschlands sein will, der muss damit rechnen, dass er an seinen eigenen Ansprüchen gemessen wird. Und zwar ab Tag 1.
Und so sind es nicht nur die unfertigen Ecken, die fehlenden Steckdosen, und nicht abgedichteten Türen, die heraushängenden Kabel und fehlenden Rainshower-Duschköpfe im Spa, die zeigen, dass The Fontenay noch nicht da ist, wo es einmal sein möchte.
Versöhnlich dann der Abschied: Ausgesprochen professionell, verständnisvoll und freundlich reagiert man beim Check Out auf unser Feedback, sowohl auf das positive als auch auf das negative. Und so spielen wir mit dem Gedanken, diese 24 Stunden im Fontenay nächstes Jahr noch einmal zu wiederholen. Vielleicht ist es dann ja wirklich das erste Haus am Platz.
Habt es schön.
Conny
3 Kommentare
Eine tolle, ausführlichen Hotel-Beschreibung, wahrscheinlich muß noch einiges in die Routine kommen, die Architektur
ist jedenfalls atemberaubend und Hamburg ist immer eine Reise wert! Tolle Fotos!
Liebe Grüße, Gerda
So einen stilvollen Afternoon Tea hätte ich jetzt auch gerne. :D Wir waren letzte Woche in einem Design Hotel in Südtirol und haben dort einen Abend am Chef’s Table in der Küche verbracht – das war ein echtes Erlebnis!
Liebe Conny, wie schön dein Bericht! Wir waren letzte Woche zu Besuch für eine Nacht und wir hatten uns geniales Wetter ausgesucht und den Außenpool genutzt! Aber deine Schilderungen sprechen mir aus der Seele! Perfekt geschrieben, ich musste schmunzeln!! Übrigens, bei uns war das Frühstück mit dabei… Ganz liebe Grüße, Bianca