Okay, eigentlich sollte dieser Post heißen “Spargelragout mit Kratzete”. Dann ereilte mich das Anrichte- OCD. Obsessive compulsive disorder, you know? Oder auch: Ich brachte es einfach nicht über mich, den salzigen Schmarrn in wilde Fetzen zu reißen. Beziehungsweise: Zu kratzen. Denn nichts anderes heißt “Kratzete”. Ein in Stücke gekratzter salziger Schmarren. In Baden sind Kratzete (oder auch Kratzede oder Chratzete) die vielleicht klassischste aller Beilagen zum Spargel. Long story short, ich wollte akkurat geschnittene Quadrate, nicht gekratzte Fetzen. Naja, hat so semi-gut geklappt.
Aber Akkuratesse hilft mir gerade, in diesen Zeiten, in denen im Großen alles außer Kontrolle zu sein scheint, wenigstens im Kleinen die Kontrolle zu bewahren. Ich mache morgens die Betten (vor Corona-Zeiten hab ich das höchstens am Wochenende gemacht…), habe ein noch stärkeres Bedürfnis nach rechtwinklig angeordneten Zeitschriften und ordentlich gefalteten Geschirrtüchern als sonst – und eben nach Ordnung aufm Teller. Verrückt, womit der Mensch so alles kompensiert, gell?
Aber zurück zu den unzerkratzten Kratzete. Ich aß sie vor Jahren einmal in Freiburg – und genauso lange dachte ich: Das solltest du viel öfter essen! Denn sie sind wirklich eine famose Beilage zum Spargel. Der kommt bei mir heute als Ragout auf den Tisch. Mit good ole Mehlschwitze, dieser landläufig so verpönten Art, eine Sauce zu binden. Dabei muss eine Mehlschwitze nicht als klumpig-lumumpige-Muffsoße daher kommen. Als Bechamel gehört sie in die Lasagne wie der Rosé in die Conny. Und darf auf keinen, also wirklich auf gar keinen Fall durch Crème Fraîche oder Schmand oder sowas ersetzt werden. Dagegen bin ich strikter als eine Nonne gegen Herrenbesuch.
Der Trick bei jeglicher Art von Mehlschwitze: Du musst die Sauce so lange kochen lassen, bis der Mehlgeschmack verschwindet. Und du darfst auf gar keinen Fall zu viel Mehl nehmen. Denn wir wollen ja keinen Brei, sondern eine sämig-cremige und trotzdem fluffig-leichte Sauce. Letzteres wird durch ein Löffelchen geschlagenen Sahne erreicht. Scheiß auf die Kalorien, dieses Jahr brauch ich eh keine Bikinifigur mehr.
Spargelragout mit salzigem Schmarrn
Für das Spargelragout
750 g geschälter weißer Spargel (also etwa 1 kg ungeschält)
Salz
Zucker
1 gehäufter EL Mehl
1 walnussgroßes Stück Butter
50 ml Noilly Prat oder anderer trockener Wermut
100 ml Sahne, geschlagen
Der Saft einer halben Zitrone
Meersalz
Frisch gemahlener schwarzer Pfeffer (auch toll: Melange Blanc vom Alten Gewürzamt)
Spargel schräg in 3-4 cm dicke Stücke schneiden. Wasser in einem Topf zum Kochen bringen, mit ordentlich Salz und Zucker würzen und den Spargel darin ca. 10 Minuten garen. Spargel herausnehmen und in Eiswasser abschrecken, den Sud nicht wegschütten, sondern 300 ml abmessen.
Butter in einem Topf zum Schmelzen bringen, Mehl darüber stäuben und alles zu einer Mehlschwitze verrühren. Mit Noilly Prat ablöschen, alles gut verrühren, damit keine Klümpchen entstehen. Dann mit Spargelfond aufgießen und 5 Minuten köcheln lassen, damit der Mehlgeschmack verfliegt. Die Sauce mit Zitronensaft, Salz und Zucker abschmecken, dann den Spargel dazu geben und sanft erhitzen. Zum Schluss die geschlagene Sahne unterziehen, mit Pfeffer oder Melange Blanc würzen.
Für den salzigen Schnittlauch Schmarrn, im Badischen auch Kratzete genannt
2 Bio Eier, getrennt
125 g Mehl
200 ml Milch
1/2 TL Salz
1/2 Bund Schnittlauch, in feine Röllchen geschnitten
1 EL Butterschmalz
Eiweiß steif schlagen. Eigelb, Mehl, Milch und Salz zu einem Pfannkuchenteig verrühren. Abgedeckt 10 Minuten ruhen lassen, dann Eischnee und Schnittlauchröllchen unterheben.
Butterschmalz in einer großen Pfanne erhitzen, Teig etwa 2 cm hoch hineingeben und bei mittlerer Hitze backen, bis er fest wird. Dann wenden und entweder mit zwei Gabeln zerreißen für echte Kratzete. Oder – falls du wie ich an akutem Plating OCD leidest – in akkurate Quadrate. Ggf. im Ofen bei 50°C warm halten.
Zum Anrichten
Spargelragout in einen vorgewärmten tiefen Teller geben, Stücke vom salzigen Schmarrn drum rum setzen und mit Kresse bestreut servieren.
Erkenntnis des Tages: Kochsahne kann man wirklich nicht aufschlagen. Also wirklich, wirklich, wirklich nicht. Nicht mal, wenn man denkt, es sein gar keine Kochsahne und erst im Mülleimer nach der leeren Packung fischen muss, um das zu merken.
Habt es lecker!
Conny
3 Kommentare
…lustig, Kratzete gab es bei uns letzte Woche zu Spargel. Allerdings schön zerkratzt – der Rest ist hier schon so ordentlich….Kopfkissen gewaschen, Duschvorhänge auch, Oberschränke oben drauf geputzt, Lampenschirme alle gespült…
LG
Catherine
Lampenschirme! Holy smokes, da bist du mir Lichtjahre voraus, ich bin nachm Fenster putzen irgendwie hängen geblieben…
Liebe Grüße
Conny
Liebe Conny,
Das klingt ganz famos, ich bin dieses Jahr irgendwie mehr im Spargelfieber als sonst (neueste Erkenntnis: Spargelstangen im Backpapierbonbon mit Salz/Zucker/Butter gegart ist ein Gedicht!), da muss ich unbedingt deine Kreation nachkochen! Natürlich mit quadratischem, salzigen Schmarrn, da hier sonst leider das Chaos regiert.. Ich freu mich schon drauf!
Liebe Grüße, Eva