Wieder Island. So sehr habe ich mich auf unseren zweiten Island Urlaub gefreut. Und doch lange gezögert, ob ich diesen Reisebericht überhaupt schreiben soll. Denn Island ist voll. Das kleine Land am Polarkreis quillt geradezu über vor Touristen. Mit allen negativen Begleiterscheinungen, die sie mit sich bringen. Idioten, die einfach direkt an der Straße anhalten, ohne sich einen Dreck um den nachfolgenden Verkehr zu scheren, scheinen da fast noch das kleinste Übel. An den Highlights im Süden, in Thingvellir und am Seljalandsfoss ist das Parken mittlerweile kostenpflichtig – zu viele Menschen, zu viel Müll belasten die fragile Natur.
Am schwarzen Strand von Reynisfjara können die Warnschilder noch so plakativ sein – sie halten die Selfiestickschwinger und Schläppchenträger nicht davon ab, viel zu nah an die Wasserlinie mit ihren potenziell tödlichen Sneaker Waves zu gehen.
Fürs perfekte Foto auf die jahrhundertealten Basaltsäulen zu klettern oder jahrzehntealten Moose zu zertrampeln. Nicht auf, sondern abseits der markierten Wanderwege zu laufen (weil man ja nur Sneaker anhat im Dauerregen und es abseits des Weges ja viel weniger matschig ist). Und überhaupt Absperrungen höchstens als sportliche Aufforderung zum Überklettern zu begreifen und ohne Ausrüstung und in Turnschuhen auf schmalen Graten zumzuklettern. Ich finde übrigens, jeder darf sich so idiotisch verhalten, wie er mag, solange er dabei nicht Andere in Mitleidenschaft zieht. Also auch nicht potenzielle Rettungskräfte, die solche Kerle dann vom Berg kratzen oder aus den Wellen ziehen dürfen.
Vollends absurde Vorfälle wie Touristen, die – kein Witz! – einfach so in die Landschaft kacken oder in fremden Häusern übernachten, weil die Tür ja nicht abgesperrt war (und sich hinterher beschweren, wenn der Eigentümer not amused ist!) sorgen dafür, dass man es den Isländern mittlerweile nicht verdenken kann, wenn sie die Nase gestrichen voll haben von uns Touristen. Klar gibt es auch sehr viele Vernünftige. Aber die Idioten fallen einfach stärker auf. “They´re lacking common sense!” seufzt die Rangerin, die am Parkplatz des Fjaðrárgljúfur Canyon emsig Touristen mit beherzten Pfiffen und einem eindeutigen “Stay! On! The! Path! People!” zurück auf den Pfad der Tugend, ehem, des Canyons zu schicken versucht. Eine Sisyphus Aufgabe.
Nie werde ich den Nordlichter-Abend vergessen, als wir an einer Parkbucht irgendwo an der Straße zwischen Eyrabakki und Stokkseyri stehen. Dutzende anderer Einfahrten oder Parkplätze um uns herum. Während die Aurora über uns ihre Show abzieht, nähert sich ein Auto. Wir denken, es wären die Landbesitzer – und der Gatte macht Platz. Aber weit gefehlt! Da quellen sechs Touris mit acht Kameras und zehn Stativen aus der Karre – und platzieren sich genau neben meiner Kamera und mir. Wir versuchen, ihnen auf Englisch begreiflich zu machen, dass sie sich gefälligst ihren eigenen Spot suchen sollen. Erfolglos. Englisch sprechen sie nicht. Also packen wir ein und hauen ab. Mein kleines Teufels-Ich gönnt es den Idioten, dass die Aurora Show in diesem Moment erstmal wieder stoppt.
Der Süden dieses so wunderbaren Landes ist mittlerweile auch im Herbst (und wahrscheinlich auch im Winter) überlaufen. Der Weg durch die Allmännerschlucht im Nationalpark Thingvellir ist so voll wie das Hamburger Elbufer an einem sonnigen Sommertag. Und man muss sich ziemlich anstrengen, um ein Foto ohne Menschen hinzubekommen.Wir ergreifen die Flucht.
“Was meckert die eigentlich so, auf den Fotos ist doch nie eine Menschenseele zu sehen – so voll kann es da doch gar nicht sein!” denkt sich der eine oder andere jetzt wahrscheinlich. Da sieht man mal wieder, was etwas Geduld, ein cleveres Framing und zur Not eine Langzeitbelichtung bewirken können, gell?
Aber abseits der Reiseführer-Highlights, der “10 Dinge, die du in Island gesehen haben musst” Listen, gibt es sie natürlich ohnehin noch. Die magischen und menschenleeren Orte. Die vielleicht nicht den großen Namen tragen – aber trotzdem sehenswert sind. Für die man vielleicht im Vorfeld etwas Recherchearbeit und vor Ort einen kleinen Umweg in Kauf nehmen muss. Die sich nicht wie Perlen direkt an der Ringstraße aufreihen, sondern erst gefunden werden wollen.
Von diesen Perlen – aber auch von den Highlights, die ja nichts dafür können, dass sie so viele Touristen anziehen, erzähl ich euch in den nächsten Wochen. Denn diesmal – tadaa, Trommelwirbel bitte – ist fast nichts an meiner Kamera kaputt gegangen. Naja, dass der Compact Flash Kartenslot am Myvatn seinen Geist aufgegeben hat, das atmen wir mal locker weg. Hauptsache, alle zwotausendneunhundertvierundachtzig Fotos sind noch da. Aber keine Angst. Ganz so viele müsst ihr euch nicht angucken.
Unsere Reiseroute dieses Jahr:
Keflavík – Grindavík – Seljalandsfoss – Skogafoss – Kvernufoss – Kap Dyrhólaey – Reynisfjara Beach – Fjaðrárgljúfur Canyon – Stjornarfoss – Svínafellsjökull – Jökulsarlon – Stokksness (wegen Dauerregen gestrichen) – Ostfjorde – Seyðisfjörður – Sænautasel – Námafjall/Hverarönd – Viti – Leirhnjúkur – Detifoss – Myvatn – Akureyri – Reykjafoss/Fosslaug – Glaumbær – Siglufjördur – Vatnsnes – Glanni – Grábrók – Snæfellsnes – Hraunfossar – Geysir – Gulfoss – Reykjavik.
Kommt ihr mit?
Conny
7 Kommentare
Ich bin auf jeden Fall dabei, aber kann deinen Unmut über die kopflosen und vor allem rücksichtslosen Touristen total nachvollziehen.
An deinen Bildern kann ich mich wie immer kaum satt sehen!
Viele Grüße
Tanja
:-*
Dank dir sehr!
Ich bin auch dabei – wir waren im Sommer das erste Mal auf Island: und sind zum Glück erst in den Westen und Norden der Insel und konnten trotz Hochsaison die Einsamkeit und die atemberaubende Natur der Insel genießen. Der Süden war auch schön (und die Highlights zu Recht Highlights) – aber der Genuss durch die Menschenmassen eindeutig getrübt; in Thingvellir hatten wir auch die Flucht ergriffen, so voll war es da (und ich total enttäuscht)…
Warst du auch in den Westfjorden? Die stehen fürs nächste Mal ganz oben auf dem Zettel. Du hast völlig recht, zum Glück schaffen es die meisten nicht bis in den Norden und Westen.
Ich hätte ja absolut nichts dagegen, mir alle deine Bilder anzuschauen <3! Hinfahren reizt mich allerdings irgendwie gar nicht, weil ich zu viel Angst hätte, dass mir das Erlebnis durch eben das, was du beschreibst, kaputt gemacht wird.
Gnihihih, be careful what you wish for…!
Island ist ja so n Herzensland für mich, das mag ich mir einfach nicht von den Idioten kaputt machen lassen.
Wir waren dieses Jahr im September das erste mal in Island und haben 14 Tage die Ringstraße befahren mit Abstechern. Und wir waren teilweise entsetzt über das Verhalten mancher Touris…. Trotzdem hatten auch wir superschöne Erlebnisse – wenn man von den Hot Spots einfach mal ein bissle weg läuft, ist man meist komplett alleine. Und nächstes Jahr geht es für uns für 8 Tage in die Westfjorde :-) Ich hoffe, dort ist es einsamer und freu mich jetzt schon.